Ver.di muss keinen Schadenersatz bezahlen

Datum: 05.04.2018

Das Arbeitsgericht Pforzheim hat mit Urteil vom heutigen Tage die Klage der Firma Stadtverkehr Pforzheim GmbH & Co. KG i.L. (kurz SVP) gegen die Gewerkschaft ver.di abgewiesen (Az. 3 Ca 208/17). Ver.di muss wegen der Busfahrer-Streiks im Frühjahr 2016 also keinen Schadenersatz bezahlen.

Die SVP hatte u.a. argumentiert, die Streiks seien rechtswidrig gewesen, weil noch die Friedenspflicht gegolten habe und die Gewerkschaft ver.di in ihren Streikaufrufen Forderungen gestellt habe, die nur über eine unbeteiligte Dritte, die Stadt Pforzheim, erfüllt werden könnten - nämlich die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen durch die Stadt. Wer rechtswidrig streike, mache sich schadenersatzpflichtig.

Aus Sicht der Richter ist diese Argumentation zwar dem Grunde nach zutreffend. Ein Verstoß gegen die Friedenspflicht habe damals aber nicht vorgelegen. Angesichts der gravierenden Änderungen (Betriebsstillegung) habe gestreikt werden dürfen. Die Richter konnten den vorgelegten Streikaufrufen auch nicht entnehmen, dass darin ausdrücklich Forderungen an die Stadt, insbesondere als unbeteiligte Dritte, enthalten waren. Das Schreiben vom 4. März 2016, auf das die SVP ihre Argumentation wesentlich stützte, stellte gerade keinen Streikaufruf dar, sondern enthielt nur allgemeine Informationen für die Gewerkschaftsmitglieder. Erstmals gestreikt wurde erst ein paar Tage später, nämlich am 9. März 2016 (mit Streikaufruf vom selben Tage). Nach Meinung der Richter war zudem die Rolle der Stadt Pforzheim im Frühjahr 2016 für die Verhandlungsführer von ver.di nicht klar erkennbar gewesen. Weil die Stadt in der Vergangenheit mehrfach beim Abschluss von Tarifverträgen beteiligt war, konnte sie in der späteren Tarifauseinandersetzung jedenfalls nicht als unbeteiligte Dritte angesehen werden. So unterzeichnete der damalige Stadtdirektor etwa 2014 und 2015 Tarifverträge, die für die Busfahrer galten. Vor seiner Unterschrift steht dort: „Für die Stadt Pforzheim“. Beim Tarifvertragsschluss 2015 verwendete er zusätzlich den Dienststempel der Stadt. Als Interpretationshilfe zugunsten von ver.di konnte auch Art. 6 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta herangezogen werden, der grundsätzlich von einem unbeschränkten Streikrecht ausgeht. Auch politische Appelle, die sich auf tariflich nicht regelbare Forderungen beziehen, könnten damit Gegenstand eines Streikaufrufs sein, ohne diesen insgesamt rechtwidrig zu machen.

Nach Zugang der schriftlichen Urteilsbegründung kann die SVP innerhalb eines Monats Berufung beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg einlegen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das Arbeitsgericht die Berufung ausdrücklich zugelassen.

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